Ich habe nichts erlebt – und lebe trotzdem mit den Folgen

Ich habe kein Trauma erlebt – und trage es trotzdem in mir. Eine persönliche Spurensuche über vererbte Angst und ihre stillen Folgen

Unsichtbares Trauma und vererbte Angst
Du hattest eine 'normale' Kindheit – aber dein Körper steht unter Dauerstress?

Ein persönliches Manifest über vererbte Angst und stille Symptome


Eine Kindheit ohne Krieg – und doch voller innerem Kampf

Ich habe nie ein großes Trauma erlebt.
Nicht im klassischen Sinne.
Ich war nicht im Krieg. Ich wurde nicht vergewaltigt, nicht eingesperrt, nicht gefoltert.

Und doch wurde ich geschlagen. Nicht oft – aber unvorhersehbar. Ich wurde bedroht, beschämt, kontrolliert. Emotionale Kälte. Gaslighting. Der Satz „Das stimmt doch gar nicht“ lehrte mich an meiner Wahrnehmung zu zweifeln.

Für viele aus meiner Generation war das normal.
Nicht schön, aber eben so, „wie man früher halt war“. Und doch lebt mein Körper, als hätte ich etwas viel Schlimmeres durchgemacht.


Ich habe Angstreaktionen – ohne Gefahr.
Ich habe Symptome – ohne Ereignis.
Ich renne – ohne Verfolger.

Ich funktioniere wie jemand, der Schreckliches überlebt hat. Nur: Ich war nie wirklich in Lebensgefahr. Und vielleicht ist genau das das eigentlich Verstörende.

Warum ich über Trauma lese, obwohl ich keins erlebt habe

Wenn ich durch meine Kindle-Bibliothek scrolle, sehe ich ein klares Muster:
Trauma, Trauma, Trauma.

Ich lese quer, springe, finde intuitiv immer die Stelle, die mich trifft – obwohl ich gar nichts erlebt habe.

Ich bin wie jemand, der nach einem Ursprung sucht,
den er selbst nicht erlebt, aber irgendwie in sich trägt.

So landete ich bei einem Zitat von Charles Darwin.
Und plötzlich war alles still.

Ein Zitat von Darwin, das mich gestoppt hat

„Verhalten, das dazu dient, Gefahr zu vermeiden oder ihr zu entkommen, hat sich eindeutig im Sinne des Überlebens entwickelt.
Doch wenn dieses Flucht- oder Vermeidungsverhalten unangemessen lange andauert, wird es zum Nachteil –
denn der Erhalt der Art erfordert Fortpflanzung, die wiederum auf Nahrung, Schutz und Paarung basiert.
All das aber ist das Gegenteil von Flucht und Vermeidung.“
(Charles Darwin, zitiert in The Body Keeps the Score)

Ich habe es gelesen – und mich darin gespürt.
Ich bin wie ein Tier, das nie angegriffen wurde.
Und trotzdem nie aufhört zu fliehen.

Wie Überlebensstrategien weitergegeben werden

Ich bin 1965 in Deutschland geboren.
Meine Eltern waren vier Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg endete. Mein Vater war verschüttet. Meine Mutter floh mit ihren Geschwistern.
Sie haben überlebt – aber nie verarbeitet.

Sie erzählten wenig. Sie gaben weiter.
Nicht durch Worte, sondern durch Tonfall, Haltung, Schweigen.

Mein Vater war nicht böse.
Er war hart – gegen sich selbst und gegen uns Kinder. Weil er glaubte, so funktioniert das Leben. Erziehung war Überlebenstraining.

Nicht Freiheit. Nicht Spiel. Nicht Vertrauen. Sondern Kontrolle. Disziplin. Härte. Weil das Leben „kein Spaß ist, sondern ein Kampf“. Und ich sollte vorbereitet sein.

Wenn dein Körper Symptome zeigt – ohne Geschichte

Lange dachte ich: „So ist das Leben eben.“
Ein permanenter Kampf gegen Windmühlen.
Ich dachte: „So bin ich halt.“

Ich bin angespannt. Ich schlafe schlecht.
Ich fürchte Nähe – und sehne mich gleichzeitig nach ihr.
Ich meide Abhängigkeit – und träume von Verbundenheit.

Ich bin die, die funktioniert. Die immer Lösungen findet.
Und trotzdem tobt in mir ein ständiger Alarm – ohne Auslöser.

Ich lebe ein radikales Leben –
mehrere Länder, fremde Kulturen, drei Kinder, unterwegs.
Und dennoch begleitet mich ein Gefühl,
das sich nicht vertreiben lässt: Ich bin nicht sicher.

Nicht in mir. Nicht mit anderen. Nicht irgendwo.
Das ist keine Realität. Das ist ein Zustand.
Ein Echo.

Ich spüre etwas, das nie mir gehörte

Dieses Trauma fühlt sich an, als wäre es meins.
Aber ich weiß heute: Es ist es nicht.

Und vielleicht ist genau das das Problem.
Ich kann es nicht loslassen –
weil ich nie wusste, dass ich es überhaupt trage.

Es hat sich eingenistet:
In meinem Körper, in meinem Nervensystem,
in meinen Beziehungen, in meiner Stimme.

Ich lebe heute ein Leben,
das mit meiner Kindheit nichts mehr zu tun hat –
und doch ist dieses „Problem“ immer dabei.
Egal, wo ich bin. Egal, mit wem ich bin.

Verinnerlichtes Fremdtrauma: Ein unsichtbares Erbe

Ich nenne es: Verinnerlichtes Fremdtrauma.
Ein Zustand ohne konkreten Auslöser.
Ohne Geschichte. Aber mit realen Folgen.

Ich kann nichts verarbeiten –
weil nichts passiert ist, was sich verarbeiten lässt.
Ich kann nichts heilen –
weil nichts sichtbar kaputt ist.

Ich fühle mich wie eine Blume,
die nie Sonne gesehen hat –
und sich fragt, warum sie nicht blüht.

Denn ich war nicht zerstört.
Ich war nur nie sicher genug, um zu wachsen.

Ich will kein Etikett – ich will Sprache

Ich will keine Entschuldigung.
Keinen Stempel. Kein Drama.

Ich will Worte für das,
was viele spüren, aber nicht greifen können.
Ich will, dass wir sprechen über Symptome ohne Auslöser.
Über Angst ohne Ereignis.
Über das Echo von Geschichten,
die nicht die eigenen sind – aber im eigenen Körper leben.

Warum die Frage nicht lautet: Hast du ein Trauma?

Vielleicht muss man nicht fragen:
„Hast du ein Trauma erlebt?“

Sondern:

„Lebst du so, als hättest du eins"

und weißt eigentlich nicht, warum?

Wenn ja – dann geht es dir vielleicht wie mir?
Und vielleicht hilft es, genau das endlich zu sehen.
Nicht, um zu heilen.
Sondern, um zu verstehen.
Und es einfach allmählich los zu lassen...

Mein Wunsch: Raum für Unsichtbares schaffen

Ich habe nichts erlebt.
Und doch alles in mir.
Ich bin nicht kaputt.
Ich bin der Beweis, dass man ohne Geschichte trotzdem Narben tragen kann.
Und dass es sich lohnt, diesen Narben Sprache zu geben.

„Mein Körper spricht zu mir“ – ein Dialog, den ich nie führen wollte. Und nie vergessen werde.

Manche Texte schreibt man nicht mit dem Kopf,
sondern aus einem Raum, der sich nur einmal im Leben öffnet.

Dieser innere Dialog ist eine Fortsetzung meines Beitrags über vererbte Angst –
aber auf einer anderen Ebene.
Nicht erklärend, sondern hörend.
Nicht analysierend, sondern fühlend.

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