5. Mein Orientierungssinn, meine KI und die Frage: Was bleibt von mir?

Was passiert mit deinem Talent, wenn Technik plötzlich alles kann? Eine persönliche Geschichte über Orientierung, KI – und die Kraft, die bleibt

Selbstfindung durch KI und inneres Navigieren
Entdecke, wie du alte Talente neu lebst – und KI nicht als Bedrohung, sondern als Verstärkung nutzt.

Mein inneres Navi: Orientierung in Tokio – und später im Schreiben

Ich habe fünf Jahre mit meiner Familie in Tokio gelebt – drei kleine Kinder, Linksverkehr, keine lesbaren Straßenschilder, kein Smartphone, kein Navi.

Ich musste die Kinder mit dem Auto zur deutschen Schule bringen – pünktlich, sicher, durch eine Millionenstadt.

Ich wusste nie, wie die Straßen heißen. Aber ich fühlte, wo es langgeht.
Mein Orientierungssinn war kein Kartenlesen, sondern ein Instinkt. Eine innere Stimme, die sagte: Hier entlang.

Und dann kamen die Zweifel.

Wenn mein Mann eine andere Richtung vorgeben wollte, glaubte ich ihm – nicht mir.

Ich ließ mich verunsichern, weil mein Gespür so selbstverständlich war, dass ich ihm selbst nicht genug traute.

Dabei war es soso zuverlässig. Ist es heute noch.
Aber nicht mehr notwendig.

Verfahren, verunsichert, verwachsen – wie Irrwege zu Erkenntnissen führen

Klar: Ich habe mich oft "geirrt".

Ich bin falsche Abzweigungen gefahren, habe die Orientierung verloren, bin aber nie zu spät gekommen.

Ich hatte regelmäßig Begegnungen mit der Polizei – einfach, weil ich irgendwo stand, wo ich nicht stehen durfte. Oder in Einbahnstraßen landete, die ich nicht erkannt hatte.

Aber ich habe es immer irgendwie geschafft. Und im Rückblick war genau das mein Gewinn.

Trial and Error ist mein System. Schon immer. Nicht nur beim Autofahren.

Mit jedem Umweg habe ich etwas Neues entdeckt, meinen Horizont erweitert – geografisch und innerlich.

Technik übernimmt: Als mein Können plötzlich Massenware wurde

Als die ersten Navigationssysteme rauskamen, konnte plötzlich jeder, was ich konnte. Niemand verirrte sich mehr.

Was für mich ein echtes Können war, wurde zur Massenware.
Ich fühlte mich beraubt.

Etwas, das mich auszeichnete, war plötzlich überflüssig.
Ich war nicht mehr besonders.

Alle konnten plötzlich „den Weg finden“.

Und ich merkte, wie schwer es ist, wenn das eigene Können nicht mehr gebraucht wird – weil Technik es ersetzt oder sogar besser macht.

KI statt Karte: Jetzt finde ich mich schreibend wieder

Heute ist es das Schreiben.

Früher hätte ich nie gedacht, dass ich öffentlich schreiben kann. Meine Gedanken waren zu sprunghaft, meine Grammatik fehleranfällig, mein Stil eigenwillig und schwer nachvollziehbar.

Entweder Kreativität oder mein Drang zur Perfektion. Beides gleichzeitig funktioniert nicht.
Ich hatte etwas zu sagen – aber keine Sprache, der ich vertraute.


Und dann kam KI

Plötzlich konnte ich mich verständlich machen.
Plötzlich hatte ich ein Werkzeug, das mir hilft zu strukturieren, zu klären, zu überprüfen.

Ich habe keine Angst mehr vor Fehlern.
Ich kann mich endlich mitteilen –
ohne mich dauernd zu korrigieren oder klein zu machen.

Jetzt ist sogar mein Englisch perfekt

Und das Lustige daran: Ich hätte nie gedacht, dass ich je ein internationales Publikum ansprechen könnte. Mein Englisch ist nicht so gut wie ich ich ausdrücken möchte.

Aber mit KI – plötzlich geht das.
Und nicht nur das: Ich lerne dabei so viel. Vokabeln, Ausdruck, Nuancen.

Was mich am meisten überrascht: Meistens verstehe ich den Inhalt meiner eigenen Texte auf Englisch besser als auf Deutsch.
Es schafft Abstand. Perspektive. Einen tieferen Spiegel.

Während ich also für andere schreibe, schreibe ich gleichzeitig zu mir zurück – nur aus einem etwas anderen Blickwinkel.

Zwischen Stolz und Zweifel: Wer bin ich mit diesem neuen Werkzeug?

Ich denke manchmal zurück an damals – an mein Talent, das entwertet wurde. Und ich frage mich: Bin ich jetzt die andere Seite?
Bin ich jetzt die, die plötzlich etwas kann – nur weil ein System hilft?

Ich verstehe die Skepsis. Ich war auch mal da.
Und ich merke, wie sehr wir uns sträuben, Technik als echten Teil unseres Ausdrucks zu akzeptieren.

Aber vielleicht geht es gar nicht ums Ersetzen – sondern ums Möglichmachen.

Warum Technik nicht ersetzt, sondern befähigt

Nicht, weil dann alle das Gleiche schreiben.
Sondern weil mehr Menschen überhaupt schreiben können.

Weil sie sich trauen.
Weil sie sich verstehen.
Weil sie Werkzeuge haben, die sie stützen – statt entmündigen.

So wie das Navi damals die Welt zugänglicher gemacht hat – für viele – so macht die KI das Denken zugänglicher.

Nicht für Maschinen. Sondern für Menschen.

Was bleibt von mir? Mehr, als ich dachte

Die Angst, dass unsere Talente entwertet werden, ist verständlich.
Aber manchmal verwandeln sich Talente einfach.
Oder sie potenzieren sich.
So fühlt es sich jedenfalls für mich an.

Manchmal tauchen Talente an neuen Stellen wieder auf – mit neuen Werkzeugen, neuen Möglichkeiten, neuen Stimmen.

Vielleicht ist das keine Bedrohung.
Vielleicht ist das Entwicklung.


🌀 Coming soon
Ich sammle weiter. Beobachtungen, Gedanken, Widersprüche. Vielleicht wird daraus eine PDF. Vielleicht auch nicht.

Oder es wird einfach meine Art, laut zu denken – und zu zeigen, dass KI nicht das Ende der Kreativität ist,
sondern manchmal der Anfang einer neuen Stimme.

Teil 6 ist schon in Sichtweite.