Der Weg zur inneren Freiheit: Wie ich den Kreislauf des Urteilens durchbrechen will
Wie du durch Selbstbeobachtung den Kreislauf des Urteilens durchbrichst – ein Brief an dein ängstliches Ich, der dir zeigt, wie Schmerz zum Wegweiser wird. Beginne jetzt deine Reise zur Klarheit.
Epiktet als Ausgangspunkt
„Es sind nicht die Dinge selbst,
die uns beunruhigen,
sondern unsere Sichtweise auf die Dinge.“
Als ich das Zitat heute las, war ich skeptisch. Wie soll man ruhig bleiben, wenn einem jemand absichtlich weh tut oder sich respektlos verhält? Doch ich erkannte etwas Entscheidendes: Grundsätzlich gehe ich niemals davon aus, dass sich Menschen absichtlich gegenseitig weh tun. Diese Vorstellung gibt es in meiner Welt nicht. In dem Moment, wenn jemand mir weh tut, nehme ich das gar nicht wahr. Stattdessen reagiere ich reflexartig, um mich zu schützen. Im Zustand von Schmerz und Schutz gibt es keine Klarheit, die Absicht zu erkennen. Aber genau diese Haltung, die Epiktet beschreibt, hat mich dazu gebracht, etwas Neues auszuprobieren.
Vom Opfer zum Täter: Wie wir uns selbst verurteilen
Erst später, wenn sich das trübe Wasser wieder klärt, erkenne ich, dass ich verletzt wurde. „Warum macht diese Person das? Was stimmt nicht mit ihr?“
Ich analysiere ihre Handlungen und versuche, ihre Motive zu verstehen. Ich versetze mich in ihre Perspektive – und am Ende sehe ich den Fehler in mir.
Ich beginne zu glauben, sie haben recht. Die Möglichkeit, dass sie Unrecht haben könnten, kommt mir nicht einmal in den Sinn. Ich allein muss falsch sein. Eine andere Erklärung sehe ich nicht. So verstehe ich die Situation. Doch diese Sichtweise bringt keine Erleichterung – im Gegenteil, sie gräbt den Konflikt mit mir selbst nur noch tiefer ein.
Die Illusion: Wie Schmerz meine Wahrnehmung verzerrt
Es ist, als würde man in einen Spiegel blicken, der verzerrt ist. Je länger man hineinschaut, desto mehr beginnt man zu glauben, dass dieses verzerrte Bild die Realität ist. Doch erst wenn man den Blick vom Spiegel löst, erkennt man, dass es nur eine Illusion war - im besten Fall.

So wie in einem Spiegel, der das eigene Bild verzerrt, erkenne ich nicht, dass meine Wahrnehmung durch Schmerz und Selbstzweifel beeinflusst wird. Ich sehe mich nicht so, wie ich wirklich bin, sondern durch eine Linse, die von alten Erfahrungen geprägt ist. Je länger ich mich in dieser Sichtweise verliere, desto realer erscheint sie mir – und desto schwieriger wird es, sie loszulassen.
Selbstforschung statt Selbstvorwurf
Mir wird allmählich klar, dass ich mit meiner bisherigen Strategie nicht weiterkommen kann. Ich versuche, meinen Blick nicht mehr auf den Aggressor oder ausschließlich auf mich selbst zu richten, sondern auf den Mechanismus dahinter. Statt zu fragen: Warum ist diese Person so? oder Was stimmt nicht mit mir?, stellte ich mir die Frage: Was passiert eigentlich in mir?
Die innere Landkarte: Gefühle, Muster und neutrale Beobachtung
- Gefühle wahrnehmen: Ich will mir erlauben, ehrlich zu fühlen. Wo spüre ich den Schmerz? Ist es Wut, Frustration, Traurigkeit oder Enttäuschung? Es ist schwer, das auszuhalten. Vielleicht wird es mir helfen, mich selbst besser zu verstehen…
- Neutral beobachten: Ich will versuchen, meine Emotionen wie ein Wissenschaftler zu betrachten. Kühl und nüchtern. Anstatt sie sofort zu bewerten, will ich diese Emotionen einfach so sehen, als wären sie ein Teil von mir, der darauf wartet, von mir erforscht zu werden.
- Muster erkennen: Ich stellte fest, dass bestimmte Reaktionen immer wiederkehren. Oft fühle ich mich insgeheim klein und hilflos. Nur ich sehe das. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein Umfeld das nicht nachvollziehen kann…
Die Illusion des Leidens: Wie sich Gefühle verändern, wenn ich sie beobachte
Wenn ich meinen Blick nach innen richte und versuche diesen Schmerz aufzustöbern, bemerke ich: Zuerst ist der Schmerz sehr real, aber je mehr ich ihn erforschen will, desto weniger ist er greifbar. Er entgleitet mir. Ich kann ihn nicht mehr finden. Wie eine Wolke am Himmel – je näher ich ihn betrachten will, desto mehr verliert er sich. Und dann stellt sich mein lmaA-Gefühl ein.
Die Grenzen des Verstandes: Was ist wirklich real?
- Könnte ich für mich Epiktets Weisheit noch weiterdenken?
- Vielleicht ist nicht meine Sichtweise auf die Dinge entscheidend?
- Vielleicht ist es nicht nur meine Sichtweise auf die Dinge, die zählt?
- Vielleicht sollte ich diese Sichtweise zusätzlich hinterfragen?
- Sind wir selbst am Ende der wahre Forschungsgegenstand – die Muster, die in uns ablaufen?
Mehr als nur meine Schuld: Die Rolle des "Aggressors" verstehen
Diese Erkenntnis hat mich an ein Thema erinnert, das ich in meinem früheren Artikel "Eine zerstörerische Dynamik" beschrieben habe. Dort ging es darum, wie Aggressoren durch das Aufblasen von Problemen und die Entwertung anderer Kontrolle ausüben. Doch der Schlüssel, um aus diesem Kreislauf auszubrechen, liegt nicht im Versuch, den Aggressor zu ändern, sondern darin, die eigene innere Reaktion zu verstehen und sich von den Dynamiken zu lösen.
Der Weg zur inneren Freiheit: Wie Selbstforschung meinen Kreislauf des Urteilens durchbricht
Ich glaube für mich zu entdecken, dass der Fokus auf einen Aggressor oder allein auf mich selbst mich nicht befreit, sondern nur im Kreislauf des Urteilens hält. Ich drehe mich im Kreis. Der wahre Ausweg liegt darin, den Blick nach innen zu richten und den Mechanismus zu erforschen. Indem ich meine eigenen Reaktionen beobachte, ohne sie zu bewerten, finde ich Abstand und Klarheit. Es ist ein Prozess, der nicht immer leicht ist, aber ich sehe keinen anderen Weg.
Vielleicht kannst du es ja auch einmal ausprobieren. Schau, was in dir passiert, wenn du verletzt wirst. Vielleicht entdeckst du etwas, das dich überrascht – so wie ich.
Hier findest du einen Brief an mein jüngeres Selbst ...